Tiefgründig, aufklärend, berührend:
Dieser Film geht unter die Haut.
- MS-Magazin Forte
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Jann Kessler erforscht mit seinem hervorragenden Dokumentarfilm die Möglichkeiten des filmischen Genres, die Randzonen der menschlichen Existenz und die Brücken und Grenzen der Einfühlung.
- Dieter Fahrer
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Seit vielen Jahren leidet Janns Mutter an Multipler Sklerose. Als sie nicht mehr sprechen kann, setzt er sich vermehrt mit ihrer Krankheit auseinander. In der Hoffnung mehr zu erfahren, macht sich der 18-jährige auf die Suche nach anderen Menschen, die mit MS leben.
Dadurch begegnet ihm Bernadette, die immer noch lacht, obwohl ihr nicht mehr so oft danach zu Mute ist. Luana, die sich ermutigende Worte auf den Arm tätowieren lässt. Er trifft auf Melanie, die einen wortreichen Schutzwall um sich herum aufbaut. Oliver, der seine Kräfte im Alltag gezielt einteilen muss. Graziella, die versucht, die Normalität aufrechtzuerhalten. Und er begegnet Rainer, der aus eigenem Willen aus dem Leben scheidet. Der Film lässt eintauchen in Schicksalsschläge und Zuversicht, Verzweiflung und Mut, prägende und auch schöne Erfahrungen voller Freude. Dabei lässt die Kamera tiefe Einblicke zu und hält dennoch respektvoll Distanz. Entstanden ist ein vielschichtiger Film, der vor den schwierigen Fragen ebenso wenig zurückweicht wie vor den schönen Momenten des Lebens.
Multiple Schicksale haben Deutschland- und Schweizweit bisher über 20’000 Leute im Kino gesehen! Der Film konnte zu vielen Diskussionen anregen, er konnte Menschen Mut gemacht machen. Bestimmt kein leichter Film, aber einer, der Spuren hinterlässt.
Nun ist Multiple Schicksale endlich auch auf DVD mitsamt umfangreichem Bonus-Material und Booklet erhältlich!
Sondervorstellungen im Kino oder bei Veranstaltungen bieten eine gute Möglichkeit, nach dem Film ins Gespräch zu kommen, Diskussionen zu lancieren. Gerne kommen Regisseur Jann Kessler und weitere im Film Porträtierte auch vor Ort, um die persönlichen Erlebnisse in die Diskussion einfließen zu lassen. Interesse? Nehmen Sie mit uns Kontakt auf!
Die Kunst, einen Film zu schaffen, welcher schonungslos aufzeigt, mit welchen Herausforderungen und Einschränkungen MS-Betroffene tagtäglich zu kämpfen haben, ohne die Protagonisten zur Schau zu stellen, ist Jann Kessler in eindrücklicher Weise gelungen.
- Schweiz. MS-Gesellschaft
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Multiple Sklerose (MS) verändert das Leben eines Betroffenen und seiner Familie radikal. Die entzündliche Erkrankung des Nervensystems kann schwere Beeinträchtigungen hervorrufen. Vermutlich mehr als 200.000 Menschen sind in Deutschland von dieser unheilbaren Krankheit betroffen.
Was ist MS?
Die Multiple Sklerose ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (Gehirn und Rückenmark), die meist im frühen Erwachsenenalter auftritt. Die genaue Ursache von MS ist trotz intensiver Forschung nach wie vor nicht bekannt.
Wie zeigt sich die MS?
Bei vielen Betroffenen zeigen sich die ersten Symptome im Alter von 20 - 40 Jahren. Es können vielfache Symptome und Behinderungen einzeln oder in Kombination auftreten. Die Störungen betreffen verschiedene Körperfunktionen wie zum Beispiel Seh- und Gleichgewichtsstörungen, Lähmungen an Beinen, Armen und Händen, Schmerzen sowie Blasen- und Darmstörungen. Viele MS-Betroffene leiden zusätzlich unter grosser Müdigkeit, Sensibilitätsstörungen und Konzentrationsschwächen. Jeder MS-Betroffene erlebt andere Einschränkungen, weshalb sie auch die Krankheit der 1.000 Gesichter genannt wird.
Wie entwickelt sich die MS?
Bis heute ist Multiple Sklerose nicht heilbar. Die heute existierenden Therapieangebote und Medikamente können den Verlauf der Krankheit nur mildern, bei einigen MS-Betroffenen wirken sie gar nicht. Trotzdem gibt es auch MS-Betroffene, die sogar Jahre nach der Diagnose nur mit leichten Einschränkungen zu kämpfen haben. Was bleibt ist die Unsicherheit, denn wie sich der Zustand eines MS-Betroffenen entwickelt, kann nicht vorausgesehen werden.
Anlaufstelle
Diese Übersicht beschränkt sich auf die wichtigsten Informationen. Für genauere Angaben zur MS lohnt sich ein Besuch auf der Website der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V.
Bei direkten Fragen zur MS bietet die MS-Helpline der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft die Gelegenheit, sofort von kompetenten und unabhängigen DMSG - Mitarbeitern informieren zu lassen:
01805 / 777 007
(0,14 € / Min. aus dem deutschen Festnetz)
Bernadette
Rainer
Graziella
Mama
Luana
Melanie
Oliver
Bernadette
Geboren 1961
MS-Diagnose seit 1993
Seit Bernadette im letzten Frühling einen starken Schub hatte, musste sie vom Rollator auf den Rollstuhl umsteigen. Transfers gestalten sich schwierig und sind alleine nur schwer zu meistern. Spitex, Familie und Nachbarn stehen unter Dauereinsatz. Die lebensfreudige Bernadette kann sehr offen über ihre Veränderungen sprechen, aber das Miterleben des eigenen Abbaus belastet ihre Psyche. Trotzdem kann sie sich immer noch leidenschaftlich an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen.
Rainer
1957 - 2013
MS-Diagnose seit 2006
Wenn man Rainer zuhört, so wirkt er ehrgeizig und selbstkritisch, sein fast immer vorhandener Humor hat etwas bissiges, fast zynisches an sich. Trotz MS fährt er über lange Zeit mit dem Fahrrad zur Arbeit, kämpft gegen seine fortschreitenden Beeinträchtigungen an und schreibt ein Buch darüber. In der Zeitspanne der Filmaufnahmen verschlechtert sich sein Zustand so, dass er ständig hätte betreut werden müssen. Diesem Verlust der Selbstbestimmung kommt Rainer mithilfe der Sterbehilfsorganisation Exit zuvor.
Graziella
Geboren 1967
MS-Diagnose seit 2010
Ihre Familie ist für Graziella das Wichtigste. Trotz ihrer MS meistert sie den gesamten Haushalt, auch wenn ihre Kinder vielleicht etwas häufiger mithelfen müssen. Die Krankheit schränkt sie besonders in ihrer Gehfähigkeit ein. Doch sie ist nicht omnipräsent, weshalb es Graziella ganz gut gelingt, dieser nicht zu viel Gewicht in ihrem Leben zu geben. Auch mit ihrer Familie spricht sie fast nie über die MS, um keine zusätzlichen Ängste zu wecken.
Mama
Geboren 1961
MS-Diagnose seit 2000
Die Ergotherapeutin, welche einst Patienten mit MS behandelte, kämpfte mit allen Mitteln gegen diese Krankheit. Sie ging ihren eigenen Weg der chinesischen Medizin und verweigerte andere Behandlungen, was für ihre Familie nicht immer ganz einfach zu verstehen war. Seit mehr als vier Jahren lebt sie im Pflegeheim. Ihre MS ist unterdessen derart fortgeschritten, dass sie eine Magensonde hat. Trotzdem ist sie hellwach, auch wenn unterdessen jegliche verbale Kommunikation unmöglich ist.
Luana
Geboren 1992
MS-Diagnose seit 2010
Die junge FMS-Schülerin stand in ihrem Abschlussjahr, als sie die Diagnose MS erhielt. Schlagartig veränderten sich ihre Perspektiven. Vor kurzem hat die Fußballspielerin ihre Spielposition verloren, auch aus dem Tennis-Nachwuchskader ist sie gefallen. Seit der Diagnose ist ihre MS sehr aktiv, viele Spital- und Reha-Aufenthalte haben die letzten Jahre geprägt. Trotz der Schwere dieses Schicksals bringt es Luana fertig, dieser Krankheit Gutes abzugewinnen. Aber wie ihre Zukunft aussieht, ist momentan noch ungewiss.
Melanie
Geboren 1986
MS-Diagnose seit 2012
Vor rund eineinhalb Jahren merkte die von Diabetes betroffene junge Frau, dass sie auf dem einen Auge fast nichts mehr sah. Nach einigen neurologischen Untersuchungen stand fest: Diagnose MS. Melanie steht mitten im Verarbeitungsprozess und versucht, sich mit ihrer neuen Situation zu arrangieren. Auf ihren Körper zu hören und das Leben gemütlich anzugehen, das ist ihre neue Lebenseinstellung. Diese hält sie aber nicht davon ab, weiterhin aktiv für den FCZ zu fanen.
Oliver
Geboren 1971
MS-Diagnose seit 1990
In jener Zeit, als sich der heutige Theologe mit den Glaubensfragen auseinandersetzte, erhielt er die Diagnose MS. Es blieb bei drei grösseren Schüben, heute ist Oliver Vater dreier aufgestellter Kinder. Er pflegt einen äusserst offenen und proaktiven Umgang mit der Krankheit. Äusserlich merkt man ihm seine MS nicht an, aber seine verminderte Leistungsfähigkeit und eine Fatigue erfordern zeitweise eine straffe Planung, um allen Aufgaben als Familienvater und Pfarrer nachzukommen.
Bernadette Meier
Hans-Peter & Rebecca
Graziella Just
Hans-Peter, Arian & Lars
Luana Montanaro
Karin & Vivienne Mannhart, Lorenzo Montanaro
Marianne & Peter Marending, Jasmin Gafner
Melanie Matoori
Sibylle Schoch, Manu
Oliver Merz
Moni, Joy, Melody, Amy
Rainer Dunstheimer
Ester Erni, Vera & Fabia Dunstheimer, Manuel Wymann
Ursula Baumgartner
Jürg Kessler, Nana Baumgartner, Anouk Kessler
Regie, Buch, Kamera
Montage & Text
Tonmischung
Beratung
Musik
Projektbetreuung
Untertitel
Schweiz. MS-Gesell.
Lektoren
Verleih
Gestaltung Flyer
Gestaltung Website
Jann Kessler
Martin Witz, Jann Kessler
Pierre Bendel
Martin Witz, Dieter Fahrer,
Ursula Brunner
Samuel Deubelbeiss, Rak Lehmann,
Anouk Kessler, Simeon Wälti,
Nadja Kollbrunner, Dennis Koch
Ursula Thie, Peter Giger,
Dieter Fahrer
Arne Hain, Martin Gut,
Rolf Mötteli, Marco Molteni,
Patrick Civelli, Bianca Ebert,
Suganya Sritharan, Carina Olsson
Antonija Brdar, Lisa Schneider
Heidi Vainola, Evgenia Loulou
Nanda Viveka, Judith Rasing
Lucia Vajcíková, Ambika Christen
Ramon Aubert, Fabia Dunsteheimer,
Regula Muralt, Christof Knüsli
Patrick Civelli, Alexander Zünd
Lukas Diehl, Spot On Distribution
Bruno Schneider, Gestalterei
Jann Kessler, Revolta
Jann Kessler, Ihre Mutter ist vor Jahren an MS erkrankt, lebt in einem Pflegeheim und ist nicht ansprechbar. Sie sagen im Film, es falle Ihnen nicht leicht, Ihre Mutter zu besuchen. Warum haben Sie den Film trotzdem gemacht?
Ich habe viel von ihr und der Situation geträumt, was mich immer stärker belastete. So habe ich gespürt, dass es höchste Zeit ist, mich nun endlich damit auseinanderzusetzen. Als es darum ging, ein Thema für die Maturarbeit zu finden, habe ich dies als Anlass genommen. So habe ich mir selber Druck gemacht. Ein selbst auferlegter, bewusster Druck. Andererseits entschied ich mich dazu, ein Projektjournal in Tagebuch-Form zu schreiben. Auf diesen über 120 Seiten konnte ich meine Erfahrungen verarbeiten und einordnen.
Neben Ihrer Mutter werden andere Menschen gezeigt, die an MS erkrankt sind. Warum?
Ich wollte meine Mutter nicht ins Zentrum stellen. Sie kann sich ja nicht mitteilen. Zudem wollte ich die verschiedenen Gesichter der Krankheit zeigen und war interessiert, wie andere Menschen damit umgehen.
Wie haben Sie die Menschen kennengelernt, die Sie porträtieren?
Ich habe in meinem Umfeld gefragt und mich bei der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft gemeldet. 40 Personen wären bereit gewesen, mitzumachen. Mit 15 von ihnen habe ich Gespräche geführt, sechs sind nun im Film zu sehen.
Haben Sie, ein Jahr nach den letzten Aufnahmen, noch Kontakt mit diesen Menschen?
Ja, es sind Freundschaften entstanden. Freundschaften, die weitergehen. Vier der Protagonisten sind auch nach Solothurn gereist zur Premiere.
Wie reagieren sie im Nachhinein auf den Film?
Das hat mich auch interessiert. Sich krank und hilflos zu sehen, kann auch eine Bürde sein. Ich habe aber die Rückmeldung erhalten, dass die Mitarbeit am Film eine Hilfe war bei der eigenen Auseinandersetzung. Konstrukte, die sich die Menschen aufgebaut haben, sind durch meine Fragen ins Wanken geraten.
Wann haben Sie gemerkt, dass der Film weit über eine Maturarbeit hinausgeht?
Ich habe mit meiner Betreuungsperson entschieden, den Film öffentlich zu zeigen. Im Kino Luna in Frauenfeld gibt es Platz für etwa 100 Personen. An jenem Abend sind aber weit mehr Menschen vor der Türe gestanden. Da habe ich gespürt: Dieser Film kann mobilisieren. Die Reaktionen nach der Vorstellung haben mich überrascht, ja, überwältigt. So habe ich mit fachlicher Unterstützung den Film überarbeitet, ihn technisch verbessert. Meine Erwartungen sind bereits weit übertroffen. Aber ich bin sehr dankbar, dass dieses Projekt nun so grosse Kreise zieht und derart viele Menschen erreicht. «Multiple Schicksale» ist enorm dicht, mit sehr persönlichen Aussagen.
Wie ist es Ihnen gelungen, diese Nähe herzustellen?
Ich war nicht von Anfang an mit der Kamera bei den Menschen. Ich habe in diesen Familien gekocht und gegessen, ich habe die Kinder kennengelernt, ich habe im Haushalt geholfen. Vor allem habe ich viele und lange Gespräche geführt. Das Vertrauen ist langsam gewachsen. Ich habe dabei auch viel von mir erzählt. Im Film scheint es, als seien das Interviews gewesen. Es waren aber Dialoge. Ich habe später meine Stimme rausgeschnitten.
Es gibt diese Debatte der eigenen Betroffenheit: Nur ein Alkoholiker kann ein wirklich gutes Buch über Alkoholismus schreiben. Nur ein Depressiver einen sehenswerten Film über Depressionen drehen. Wie sehen Sie das?
So absolut würde ich das nicht sagen. Ich kann nur für mich reden: Ich bin überzeugt, dass ich mit einem neutralen Zugang keinen guten Dokumentarfilm machen kann. Dass der Film so viele Menschen betroffen macht, hat sehr viel mit meiner eigenen Betroffenheit zu tun.
Die intimen Einblicke gehen einem nah. Die Personen haben ihr Einverständnis geben können zu ihren Auftritten. Der Mensch, der ihnen am nächsten steht, ihre Mutter, konnten Sie nicht fragen. Wie gehen Sie damit um?
Diese Diskrepanz ist nicht aufzulösen und dessen bin ich mir bewusst. Ich habe ausführlich mit dem Pflegepersonal und mit meiner Familie diskutiert und meine Mutter ganz langsam mit dem Projekt konfrontiert. Ich habe sie fotografiert, zuerst mit einem Blumenstrauss zwischen der Kamera und ihr. Ich habe das Gefühl, es ist für Mama in Ordnung.
Hat Sie Ihnen trotz den massiven Einschränkungen ein Zeichen gegeben, dass Sie in diesem Gefühl bestärkt hat?
Ja. Ich wollte meine Mutter einmal schlafend filmen. Doch bei meinen Besuchen war sie immer hellwach. Da bin ich zu ihr ans Bett gegangen und habe sie gefragt, ob sie sich schlafend stellen könne. Und tatsächlich: Nach einer gewissen Zeit hat sie den Kopf auf die Seite gelegt und die Augen geschlossen.
Wird Sie den Film sehen?
Ja, ich werde ihn mit ihr anschauen und bin gespannt auf ihre Reaktion.
Eine Szene hat das Potenzial, eine brisante öffentliche Disskussion weiter zu befeuern. Rainer, einer der Porträtierten, scheidet mithilfe von Exit aus dem Leben. Sie bleiben mit der Kamera praktisch bis zu seinem letzten Atemzug im Raum.
Ja, das ist der Moment, an dem bei jeder Vorstellung einige Menschen den Saal verlassen.
Wo stehen Sie in dieser Debatte?
Man sollte diese Frage ohne ethischen Scheuklappen führen. Wer entscheidet darüber, unter welchen Umständen ein Leben lebenswert ist? Ich möchte bewusst nicht werten. Das soll jede Zuschauerin, jeder Zuschauer selber tun. Obwohl ich mir natürlich bewusst bin, dass es bereits eine Wertung ist, wenn ich die Exit-Geschichte als gangbaren Weg zeige. Ich bin überzeugt, dass es ganz wichtig ist, sich über das eigene Ende Gedanken zu machen. Und da gehört Exit dazu. Meine Mama hat sich dazu nie geäussert. Nun kann sie es nicht mehr. Diese Ohnmacht ist nicht einfach auszuhalten.
Haben Sie negative Reaktionen erlebt?
Einige christliche Vereinigungen äussern sich kritisch. Für sie ist es keine Option, das Ende des eigenen Lebens zu bestimmen.
Es ist fast unheimlich. Zu Ihrem ersten Film hört und liest man nur Lob. Ist Ihnen etwas auch nicht gelungen?
Ich habe die Menschen alleine besucht, den Ton, das Licht und die Kamera selber gemacht. Das sieht man dem Film an. Ich bin ein perfektionistischer Mensch. Diese «Unprofessionalität» war nicht einfach auszuhalten.
Die ewige Frage des Abwägens zwischen dem Formalen und dem Inhalt?
Genau. In diesem Fall ist das Visuell-Technische aber tatsächlich zweitrangig für mich. Es geht um die Aussage. Ohne diese Abstriche wäre es nicht zu dieser Nähe gekommen. Trotzdem nerve ich mich im Kino weiterhin über alles Mögliche und frage mich: Warum habe ich das so gemacht? (lacht)
Wie gross ist Ihre Angst, selber an MS zu erkranken?
Ich weiss, dass die Wahrscheinlichkeit etwa um den Faktor 10 steigt, wenn jemand aus der Familie krank ist. Gegen Ende der Drehphase war ich mit Symptomen konfrontiert, die jenen der MS ähneln. Das verunsicherte mich.
Haben Sie sich abklären lassen?
Ja, ich habe keine MS. Durch die sehr intensive Arbeitsweise am Film mit nächtelangen Schnittarbeiten war ich einfach massiv überlastet und übermüdet.
Durch Ihre Familiengeschichte, aber auch durch die Arbeit am Film, sind Sie in massiver Weise mit Krankheit, Leiden und dem Tod konfrontiert worden. Empfinden Sie das nicht als Belastung?
Nein. Ich denke, wenn ich zum Beispiel die Diagnose MS einmal erhalten sollte, hätte ich es einfacher.
Wie meinen Sie das? Ist es nicht manchmal besser, unwissend zu sein?
Ich funktioniere nicht so, nein. Wissen macht mich ruhiger. Weil ich nun einen so grossen Background habe, müsste ich einige Schritte, die die Porträtierten machen mussten, nicht mehr tun. Allerdings: Wer bin ich, dass ich das beurteilen kann? Wenn man selber betroffen ist, kann einem der Boden entzogen werden.
Sie betonen häufig, wie undogmatisch dieser Film sein soll. Es gehe darum, eine Diskussion zu lancieren. Können sie das etwas konkreter formulieren?
Der Film soll zeigen, dass die Würde eines Menschen über allem steht. Einen Grossteil dieser Würde wird über den Nutzen definiert, den eine Person der Gesellschaft bringt. Menschen, die krank sind, erfüllen viele dieser «Anforderungen» nicht. Wie können sie ihre Würde erhalten? Wie können wir ihre Würde stärken?
Wieder die Frage des lebenswerten Lebens.
Ja. Was macht ein Leben wirklich lebenswert? Wie gehen wir mit Menschen um, die nicht dem allgemeinen Leistungsideal entsprechen. Mein Film soll diese grossen Fragen auf eine dezente Art stellen, nicht polternd, nicht absolutistisch und ohne erhobenen Zeigefinger. Er soll helfen, die eigenen Wertevorstellungen zu hinterfragen. Im besten Falle schafft er Verständnis und zeigt: Es gibt auch Qualitäten, die nicht an Leistung gebunden sind.
Interview: Raphael Amstutz,
«Bieler Tagblatt»
Jann Kessler wird 1995 in Frauenfeld (CH) geboren und wächst in Felben auf. Schnell nimmt das Gitarren- und Theaterspiel einen wichtigen Platz in seinem Leben ein, bereits mit 10 Jahren beginnt er, mit Freunden Kurzfilme zu drehen. Durch den Wechsel ans Gymnasium Frauenfeld lernte er Simeon Wälti und Jovin Langenegger kennen und gemeinsam gründeten sie 2013 das Künstlerkollektiv Revolta. Mithilfe dieser Infrastruktur wurde es Kessler erst möglich, ein solches Filmprojekt im Rahmen einer Matura-Arbeit zu realisieren.
DIE MS
Janns Mama erhält die Diagnose MS, als er 5 ist. Es ist prägend, wenn ein Elternteil Stück für Stück aus dem Leben schreitet, wie Jann berichtet: »Ich bin mit dieser Situation nicht klargekommen und flüchtete mich in immer grössere Projekte. Lange Zeit ist das Filmemachen für mich also die Möglichkeit, mich nicht mit der MS konfrontieren zu müssen. Das geht viele Jahre gut, aber im Vorfeld der Matura-Arbeit merke ich, dass mich diese Situation immer stärker beschäftigt, mir den Schlaf raubt. Ich musste etwas verändern, um mich weiterentwickeln zu können.
So entschliesse ich mich zur Flucht nach vorne und möchte das Filmemachen nutzen, um mich mit Mamas MS zu beschäftigen. In diese Zeit fällt auch die Themenwahl meiner Matura-Arbeit, glücklicherweise finde ich mit Ursula Thie eine Lehrperson, welche mich bei dieser Themenwahl unterstützt und sich bereit erklärt, diese persönliche und doch auch mutige Arbeit zu begleiten. Weil ich bis an hin noch keine Dokumentarfilme gemacht habe, beginne ich damit, bestehende Werke genau zu analysieren. Ausserdem treffe ich den Berner Dokumentarfilmer Dieter Fahrer, von dessen Herangehensweise ich viel mitnehmen kann.
Entwicklung
Anfangs 2013 mache ich mich auf die Suche nach anderen Menschen, die mit MS leben, um meine Erfahrungen mit Mama etwas besser verstehen zu können. Für mich ist klar: Es soll kein allgemeiner Film über die Krankheit werden, sondern einige Schicksale genauer beleuchten und auf den Menschen eingehen, seine Sorgen und Ängste, aber auch unbeschwerte Momente und Hoffnungen. Ramon Aubert der Schweiz. MS-Gesellschaft unterstützt mich, mit interessierten MS-Betroffenen in Kontakt zu gelangen. Auf meinen Aufruf melden sich über 40 Personen, davon besuche ich 15 direkt bei ihnen zu Hause. Schnell merke ich, dass bei diesen Gesprächen ein riesiges Vertrauen entsteht. Durch meine Betroffenheit fühlen sich viele sehr gut verstanden. Schlussendlich entscheide ich mich dazu, 6 Menschen weiter für den Film zu begleiten. Auch hier nehme ich mir Zeit, lasse die Kamera während den ersten Besuchen zu Hause. Stattdessen helfe ich den Protagonisten im Haushalt, lerne die Familie kennen, rede und erzähle von meinen Erfahrungen. Freundschaften entstehen.
Entscheidungen
Ist es richtig, Mama zu filmen, wenn sie sich nicht dazu äussern kann? Soll mein eigenes Suchen nur die Motivation für mich sein, oder ebenfalls Teil des Filmes und für den Betrachter sichtbar? Lange bin ich sehr zurückhaltend bei diesen Grundsatzfragen, auch wenn mein Umfeld mich dazu zu motivieren versucht. Schlussendlich haben wir in der Familie die Entscheidung gefällt: Ja, Mama soll Teil des Filmes werden. Aber auch mein eigenes Suchen, meine Reise. Denn das ist schlussendlich der rote Faden des Filmes und die Geschichte, die die anderen zusammenhält.
Realisierung
Nach 2 bis 3 Besuchen ohne Kamera beginne ich schliesslich, sowohl im Alltag als auch bei den Gesprächen zu filmen. Aber aus den Gesprächen werden keine Interviews, trotz Kamera stehen wir im Dialog, denn die Kamera war häufig fix auf dem Stativ, so bleibe ich als Person präsent. Auch zu Mama finde ich intensiveren Kontakt und begleite meine Grossmutter, wenn sie sie im Pflegeheim besuchen geht. Ich lese ihr aus Hermann Hesses «Siddhartha» vor, eine Geschichte, die schlussendlich Teil des Filmes geworden ist.
Montage
Während mehreren Monaten besuche ich nun alle zwei bis drei Wochen jeden der sechs Protagonisten, nebst meinem regulären Schulunterricht. Eine sehr intensive Zeit! Trotzdem fällt es mir schwer, mich irgendwann (knapp drei Wochen vor Abgabetermin, denn ich wollte immer mehr zeigen, noch dabei sein, wie sich Luana ein Tatoo stechen lässt, noch an den Fussballmatch…) den Entschluss zu fällen, mit diesen Aufnahmen zufrieden zu sein und diese ins Filmschnittprogramm zu importieren. Vor mir liegen drei sehr intensive Wochen, in welchen ich fast nicht mehr aus dem Studio komme – aber es gibt keinen anderen Weg, möchte ich bis zur Abgabe fertig werden.
Ich staune nicht schlecht, als ich realisiere, dass insgesamt 1'275 Aufnahmen zu fast 200 Stunden Material zusammengekommen sind. Wie soll man nun mit einer solchen Fülle an Material umgehen? Um einen Überblick zu erhalten, notierte ich jede Szene auf Notizzettel, die ich im Filmstudio an der Master-Wand platzieren kann. So entwickelt sich langsam eine dramaturgische Handlung, ein roter Faden, ein Spannungsbogen.
Es wird mehr
Anfangs Dezember 2013 wird «Multiple Schicksale» im Rahmen meiner Matura-Arbeit ein erstes Mal präsentiert. Obwohl ich persönlich den Film zu diesem Zeitpunkt noch nicht perfekt finde, ist der Tenor der Zuschauer im Kino eindeutig: Dieser Film soll an die Öffentlichkeit!
So befasse ich mich mit den Möglichkeiten einer breiteren Veröffentlichung. Schnell steht fest: Um den Film in weitere Kinos, später vielleicht auch im Fernsehen oder auf DVD und BluRay zu vertreiben, muss - nebst der Postproduktion - auch noch einiges an der Dramaturgie perfektioniert werden. Nach einigen Rückmeldungen von Experten kann ich schliesslich Martin Witz für das Projekt gewinnen. In vielen gemeinsamen Stunden haben wir jede Szene überdacht und einiges an der Reihenfolge geändert. Neue Statements werden eingebunden um einige Protagonisten zu stärken, andere Statements gekürzt.
Weltpremiere an den Solothurner Filmtagen
Glücklicherweise habe ich zudem die Chance, den Film bei der Schweizerischen MS-Gesellschaft zu präsentieren. Nebst einer grossen Zustimmung erhalte ich hier auch die konkrete Zusage für zukünftige Unterstützung, sowohl finanzieller als auch werbe-technischer Art. Zusammen mit weiteren Geldgebern ist so die Finanzierung des Projektes gegen Ende 2014 gesichert.
Unterdessen kann ich weitere Experten fürs Projekt gewinnen: Fachleute kümmern sich um die fertige Abmischung des Tons. Für die Übersetzung der Untertitel kann ich meine ehemaligen Kanti-Lehrer gewinnen. Weitere Experten stehen mir mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um die Farbbearbeitung der Bilder oder die Grafik geht. Schliesslich feiert »Multiple Schicksale« Weltpremiere an den Solothurner Filmtagen im Januar 2015.
Dort gewinne ich schliesslich endlich einen Verleiher für den Film – dem Bindeglied zwischen Produzenten und Kinos. »SpotOn Distribution« ist ein junger Verleih, der bei seinen Filmen viel Individualität zulässt und so bestens zu diesem etwas speziellen Film passt. Gemeinsam mit Lukas Diehl, dem Inhaber, entwickeln wir so eine Kino-Stategie. Es enstehen Website, Trailer, Grafik, Flyer und Pressedossier. Und mit Valero Bonadai können wir einen erfahrenen Medienverantworlichen ins Boot holen, der den Film vielerorts zum Gesprächsstoff machen kann.
Kinostart in der Schweiz
Schliesslich ist es im Oktober 2015 endlich so weit: Die einstige Matuta-Arbeit hat es tatsächlich in die Kinos der Schweiz geschafft! Schnell wird klar, dass dieser Film im Kino funktionieren wird: Immer mehr Kinos spielen den Film, es folgen Einladungen in verschiedenste Fernseh- und Radiostationen. Für den Herbst 2016 ist zudem der Kinostart in Deutschland geplant. Ich spüre eine riesige Dankbarkeit, dass aus einem Projekt, in das ich bis anhin über 2’500 unbezahlte Arbeitsstunden gesteckt habe, nun von derart vielen Menschen gesehen wird.
Dank diesem Projekt ist es mir gelungen, mich Mamas MS zu stellen. Ich durfte extrem beeindruckende Personen kennenlernen, die mir geholfen haben, meine eigenen Kindheitserlebnisse zu verstehen und zu akzeptieren, wie es Mama heute geht. So bleibt die Hoffnung, dass ich diesen Gewinn mit anderen Teilen kann, dass der Film durch seine ehrliche Art Mut machen kann, sich mit schwierigen Dingen auseinander zu setzen. Sich berühren und zum Nachdenken anregen zu lassen. So dass es auf dieser Welt ein bisschen mehr Verständnis für alle geben kann.«
Jann Kessler wurde 1995 in Frauenfeld (CH) geboren und wuchs in Felben auf. Schnell nimmt das Gitarren- und Theaterspiel einen wichtigen Platz in seinem Leben ein, bereits mit 10 Jahren beginnt er, mit Freunden Kurzfilme zu drehen. Durch den Wechsel ans Gymnasium Frauenfeld lernte er Simeon Wälti und Jovin Langenegger kennen und gemeinsam gründeten sie 2013 das Künstlerkollektiv Revolta. Mithilfe dieser Infrastruktur wurde es Kessler erst möglich, ein solches Filmprojekt im Rahmen einer Matura-Arbeit zu realisieren.
DIE MS
Janns Mama erhält die Diagnose MS, als er 5 ist. Es ist prägend, wenn ein Elternteil Stück für Stück aus dem Leben schreitet, wie Jann berichtet: »Ich bin mit dieser Situation nicht klargekommen und flüchtete mich in immer grössere Projekte. Lange Zeit ist das Filmemachen für mich also die Möglichkeit, mich nicht mit der MS konfrontieren zu müssen. Das geht viele Jahre gut, aber im Vorfeld der Matura-Arbeit merke ich, dass mich diese Situation immer stärker beschäftigt, mir den Schlaf raubt. Ich musste etwas verändern, um mich weiterentwickeln zu können.
So entschliesse ich mich zur Flucht nach vorne und möchte das Filmemachen nutzen, um mich mit Mamas MS zu beschäftigen. In diese Zeit fällt auch die Themenwahl meiner Matura-Arbeit, glücklicherweise finde ich mit Ursula Thie eine Lehrperson, welche mich bei dieser Themenwahl unterstützt und sich bereit erklärt, diese persönliche und doch auch mutige Arbeit zu begleiten. Weil ich bis an hin noch keine Dokumentarfilme gemacht habe, beginne ich damit, bestehende Werke genau zu analysieren. Ausserdem treffe ich den Berner Dokumentarfilmer Dieter Fahrer, von dessen Herangehensweise ich viel mitnehmen kann.
Entwicklung
Anfangs 2013 mache ich mich auf die Suche nach anderen Menschen, die mit MS leben, um meine Erfahrungen mit Mama etwas besser verstehen zu können. Für mich ist klar: Es soll kein allgemeiner Film über die Krankheit werden, sondern einige Schicksale genauer beleuchten und auf den Menschen eingehen, seine Sorgen und Ängste, aber auch unbeschwerte Momente und Hoffnungen. Ramon Aubert der Schweiz. MS-Gesellschaft unterstützt mich, mit interessierten MS-Betroffenen in Kontakt zu gelangen. Auf meinen Aufruf melden sich über 40 Personen, davon besuche ich 15 direkt bei ihnen zu Hause. Schnell merke ich, dass bei diesen Gesprächen ein riesiges Vertrauen entsteht. Durch meine Betroffenheit fühlen sich viele sehr gut verstanden. Schlussendlich entscheide ich mich dazu, 6 Menschen weiter für den Film zu begleiten. Auch hier nehme ich mir Zeit, lasse die Kamera während den ersten Besuchen zu Hause. Stattdessen helfe ich den Protagonisten im Haushalt, lerne die Familie kennen, rede und erzähle von meinen Erfahrungen. Freundschaften entstehen.
Entscheidungen
Ist es richtig, Mama zu filmen, wenn sie sich nicht dazu äussern kann? Soll mein eigenes Suchen nur die Motivation für mich sein, oder ebenfalls Teil des Filmes und für den Betrachter sichtbar? Lange bin ich sehr zurückhaltend bei diesen Grundsatzfragen, auch wenn mein Umfeld mich dazu zu motivieren versucht. Schlussendlich haben wir in der Familie die Entscheidung gefällt: Ja, Mama soll Teil des Filmes werden. Aber auch mein eigenes Suchen, meine Reise. Denn das ist schlussendlich der rote Faden des Filmes und die Geschichte, die die anderen zusammenhält.
Realisierung
Nach 2 bis 3 Besuchen ohne Kamera beginne ich schliesslich, sowohl im Alltag als auch bei den Gesprächen zu filmen. Aber aus den Gesprächen werden keine Interviews, trotz Kamera stehen wir im Dialog, denn die Kamera war häufig fix auf dem Stativ, so bleibe ich als Person präsent. Auch zu Mama finde ich intensiveren Kontakt und begleite meine Grossmutter, wenn sie sie im Pflegeheim besuchen geht. Ich lese ihr aus Hermann Hesses «Siddhartha» vor, eine Geschichte, die schlussendlich Teil des Filmes geworden ist.
Montage
Während mehreren Monaten besuche ich nun alle zwei bis drei Wochen jeden der sechs Protagonisten, nebst meinem regulären Schulunterricht. Eine sehr intensive Zeit! Trotzdem fällt es mir schwer, mich irgendwann (knapp drei Wochen vor Abgabetermin, denn ich wollte immer mehr zeigen, noch dabei sein, wie sich Luana ein Tatoo stechen lässt, noch an den Fussballmatch…) den Entschluss zu fällen, mit diesen Aufnahmen zufrieden zu sein und diese ins Filmschnittprogramm zu importieren. Vor mir liegen drei sehr intensive Wochen, in welchen ich fast nicht mehr aus dem Studio komme – aber es gibt keinen anderen Weg, möchte ich bis zur Abgabe fertig werden.
Ich staune nicht schlecht, als ich realisiere, dass insgesamt 1'275 Aufnahmen zu fast 200 Stunden Material zusammengekommen sind. Wie soll man nun mit einer solchen Fülle an Material umgehen? Um einen Überblick zu erhalten, notierte ich jede Szene auf Notizzettel, die ich im Filmstudio an der Master-Wand platzieren kann. So entwickelt sich langsam eine dramaturgische Handlung, ein roter Faden, ein Spannungsbogen.
Es wird mehr
Anfangs Dezember 2013 wird «Multiple Schicksale» im Rahmen meiner Matura-Arbeit ein erstes Mal präsentiert. Obwohl ich persönlich den Film zu diesem Zeitpunkt noch nicht perfekt finde, ist der Tenor der Zuschauer im Kino eindeutig: Dieser Film soll an die Öffentlichkeit!
So befasse ich mich mit den Möglichkeiten einer breiteren Veröffentlichung. Schnell steht fest: Um den Film in weitere Kinos, später vielleicht auch im Fernsehen oder auf DVD und BluRay zu vertreiben, muss - nebst der Postproduktion - auch noch einiges an der Dramaturgie perfektioniert werden. Nach einigen Rückmeldungen von Experten kann ich schliesslich Martin Witz für das Projekt gewinnen. In vielen gemeinsamen Stunden haben wir jede Szene überdacht und einiges an der Reihenfolge geändert. Neue Statements werden eingebunden um einige Protagonisten zu stärken, andere Statements gekürzt.
Weltpremiere an den Solothurner Filmtagen
Glücklicherweise habe ich zudem die Chance, den Film bei der Schweizerischen MS-Gesellschaft zu präsentieren. Nebst einer grossen Zustimmung erhalte ich hier auch die konkrete Zusage für zukünftige Unterstützung, sowohl finanzieller als auch werbe-technischer Art Zusammen mit weiteren Geldgebern ist so die Finanzierung des Projektes gegen Ende 2014 gesichert.
Unterdessen kann ich weitere Experten fürs Projekt gewinnen: Fachleute kümmern sich um die fertige Abmischung des Tons. Für die Übersetzung der Untertitel kann ich meine ehemaligen Kanti-Lehrer gewinnen. Weitere Experten stehen mir mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um die Farbbearbeitung der Bilder oder die Grafik geht. Schliesslich feiert »Multiple Schicksale« Weltpremiere an den Solothurner Filmtagen im Januar 2015.
Dort gewinne ich schliesslich endlich einen Verleiher für den Film – dem Bindeglied zwischen Produzenten und Kinos. »SpotOn Distribution« ist ein junger Verleih, der bei seinen Filmen viel Individualität zulässt und so bestens zu diesem etwas speziellen Film passt. Gemeinsam mit Lukas Diehl, dem Inhaber, entwickeln wir so eine Kino-Strategie. Es entstehen Website, Trailer, Grafik, Flyer und Pressedossier. Und mit Valero Bonadai können wir einen erfahrenen Medienverantworlichen ins Boot holen, der den Film vielerorts zum Gesprächsstoff machen kann.
Kinostart in der Schweiz
Schliesslich ist es im Oktober 2015 endlich so weit: Die einstige Matuta-Arbeit hat es tatsächlich in die Kinos der Schweiz geschafft! Schnell wird klar, dass dieser Film im Kino funktionieren wird: Immer mehr Kinos spielen den Film, es folgen Einladungen in verschiedenste Fernseh- und Radiostationen. Für den Herbst 2016 ist zudem der Kinostart in Deutschland geplant. Ich spüre eine riesige Dankbarkeit, dass aus einem Projekt, in das ich bis anhin über 2’500 unbezahlte Arbeitsstunden gesteckt habe, nun von derart vielen Menschen gesehen wird.
Dank diesem Projekt ist es mir gelungen, mich Mamas MS zu stellen. Ich durfte extrem beeindruckende Personen kennenlernen, die mir geholfen haben, meine eigenen Kindheitserlebnisse zu verstehen und zu akzeptieren, wie es Mama heute geht. So bleibt die Hoffnung, dass ich diesen Gewinn mit anderen Teilen kann, dass der Film durch seine ehrliche Art Mut machen kann, sich mit schwierigen Dingen auseinander zu setzen. Sich berühren und zum Nachdenken anregen zu lassen. So dass es auf dieser Welt ein bisschen mehr Verständnis für alle geben kann.«